Die Bezeichnung „Attische Demokratie“ bezieht sich auf das demokratische Regierungssystem in Athen, Griechenland, vom 5. bis 4. Jahrhundert v. Chr. In diesem System hatten alle männlichen Bürger - der Demos - gleiche politische Rechte, Redefreiheit und die Möglichkeit, sich direkt am politischen Geschehen zu beteiligen.
In der attischen Demokratie nahmen die Bürger nicht nur an einer direkten Demokratie teil, indem sie selbst die Entscheidungen trafen, nach denen sie lebten, sondern sie wirkten auch aktiv in den Institutionen mit, die sie regierten, und kontrollierten somit direkt alle Teile des politischen Prozesses.
Antike Quellen
Auch andere Stadtstaaten hatten zu gewissen Zeitpunkten demokratische Systeme, insbesondere Argos, Syrakus, Rhodos und Erythrai. Darüber hinaus konnten manchmal sogar oligarchische Systeme ein hohes Maß an politischer Gleichberechtigung beinhalten, aber die attische Version, die um 460 v. Chr. begann und um 320 v. Chr. endete und alle männlichen Bürger einbezog, war sicherlich die am weitesten entwickelte.
Die zeitgenössischen Quellen, die die Funktionsweise der Demokratie beschreiben, beziehen sich in der Regel auf Athen und umfassen Texte wie die Athenaion politeia (Der Staat der Athener) aus der Schule des Aristoteles, die Werke der griechischen Historiker Herodot, Thukydides und Xenophon, Abschriften von mehr als 150 Reden von Persönlichkeiten wie Demosthenes, in Stein gemeißelte Inschriften von Dekreten, Gesetzen, Verträgen, öffentlichen Ehrungen und mehr, sowie griechische Komödienstücke wie die von Aristophanes. Leider sind die Quellen zu den anderen demokratischen Regierungen im antiken Griechenland rar gesät. Aus diesem Grund konzentrieren sich die folgenden Ausführungen zur Demokratie auf die Athener.
Die Volksversammlung und der Rat
Das Wort Demokratie (demokratia) leitet sich von demos ab, was sich auf die Gesamtheit der Bürger bezieht, und kratos, was Herrschaft bedeutet. Jeder männliche Bürger konnte am wichtigsten demokratischen Organ Athens, der Volksversammlung (ekklesia), teilnehmen. Im 4. und 5. Jahrhundert v. Chr. lag die Zahl der männlichen Bürger Athens je nach Zeitraum zwischen 30.000 und 60.000. Die Volksversammlung traf sich mindestens einmal im Monat, eher zwei- oder dreimal, auf dem Pnyxhügel in einem eigens dafür vorgesehenen Raum, der Platz für etwa 6000 Bürger bot. Jeder Bürger konnte sich in der Versammlung zu Wort melden und durch einfaches Heben der Hand über Entscheidungen abstimmen. Die Mehrheit setzte sich durch, und die Entscheidung war endgültig. Neun durch das Los gewählte Vorsitzende (proedroi), die ihr Amt nur einmal ausübten, organisierten den Ablauf und werteten die Abstimmungen aus.
Zu den spezifischen Themen, die in der Volksversammlung erörtert wurden, gehörten Entscheidungen über militärische und finanzielle Angelegenheiten, die Organisation und Aufrechterhaltung der Lebensmittelversorgung, die Verabschiedung von Gesetzen und politischen Prozessen, die Entscheidung über die Entsendung von Gesandten und die Unterzeichnung von Verträgen, Abstimmungen über die Beschaffung oder Ausgabe von Mitteln und Debatten über militärische Angelegenheiten. Die Volksversammlung konnte auch durch das Scherbengericht über die Verbannung eines Bürgers aus Athen abstimmen, wenn dieser zu mächtig und gefährlich für die Polis geworden war. In diesem Fall fand eine geheime Abstimmung statt, bei der die Wähler einen Namen auf eine zerbrochene Tonscherbe (ostrakon) schrieben. Ein wichtiges Element in den Debatten war die Redefreiheit (parrhesia), die vielleicht zum am meisten geschätzten Privileg der Bürger wurde. Nach angemessener Diskussion wurden zeitweilige oder spezifische Dekrete (psephismata) verabschiedet und Gesetze (nomoi) festgelegt. Die Volksversammlung sorgte auch dafür, dass Beschlüsse durchgesetzt wurden und die Beamten ihre Aufgaben korrekt erfüllten.
In Athen (und auch in Elis, Tegea und Thasos) gab es einen kleineren Rat, die boule oder Bule im Deutschen, der über die Themen, die in der Volksversammlung diskutiert wurden, entschied oder ihnen Priorität einräumte. Darüber hinaus konnte dieses Gremium in Krisen- und Kriegszeiten auch ohne die Volksversammlung Entscheidungen treffen. Die Bule setzte sich aus 500 Bürgern zusammen, die per Los ausgewählt wurden und für ein Jahr im Amt waren, wobei die Amtszeit nicht länger als zwei aufeinanderfolgende Jahre sein durfte. Die Bule repräsentierte die 139 Bezirke Attikas und fungierte als eine Art Exekutivausschuss der Volksversammlung. Dieser Rat beaufsichtigte alle Verwaltungsausschüsse und die Beamtenschaft im Namen der Volksversammlung.
Dann gab es noch einen Exekutivausschuss der Bule, der aus einem der zehn Stämme oder Phylen bestand, die an der Bule teilnahmen (d. h. 50 Bürger, die als prytaneis bekannt waren) und der nach dem Rotationsprinzip gewählt wurde, so dass jeder Stamm den Exekutivausschuss einmal im Jahr zusammenstellte. Diese Exekutive der Exekutive hatte einen Vorsitzenden (epistates), der jeden Tag durch das Los bestimmt wurde. Die 50 Prytanen tagten in einem als Bouleuterion bekannten Gebäude auf der Athener Agora und bewahrten die heiligen Schätze auf.
Neben all diesen politischen Institutionen gab es die Gerichte (dikasteria), die sich aus 6.000 Geschworenen und einem Gremium von Oberrichtern (archai), die jährlich mittels Los ausgewählt wurden, zusammensetzten. Es gab sogar eine speziell entwickelte Maschine mit farbigen Kugeln (kleroterion), um sicherzustellen, dass die Auserwählten nach dem Zufallsprinzip gewählt wurden, ein Prozess, den die Richter zweimal durchlaufen mussten. In den Gerichten konnten die von der Volksversammlung erlassenen Gesetze angefochten werden, und es wurden Entscheidungen über Verbannung, Einbürgerung und Schuldenerlass getroffen.
Dieses komplexe System sollte zweifelsohne ein angemessenes Maß an Kontrolle und Gleichgewicht zur Verhinderung von möglichem Machtmissbrauch gewährleisten und sicherstellen, dass jede traditionelle Region gleichermaßen vertreten und mit gleichen Befugnissen ausgestattet war. Da die Personen für wichtige Ämter nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wurden und die Amtszeiten streng begrenzt waren, war es für eine Einzelperson oder kleine Gruppen schwierig, den Entscheidungsprozess zu dominieren oder unangemessen zu beeinflussen - entweder direkt oder, da man nie genau wusste, wer ausgewählt werden würde, indirekt durch Bestechung derjenigen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt an der Macht waren.
Beteiligung an der Regierung
Wie wir gesehen haben, konnten nur männliche Bürger, die mindestens 18 Jahre alt waren, in der Volksversammlung das Wort ergreifen (zumindest theoretisch) und abstimmen, während Ämter wie Richter und Geschworene auf über 30-jährige Bürger beschränkt waren. Frauen, Sklaven und ansässige Ausländer (metoikoi) waren also vom politischen Prozess ausgeschlossen.
Die massenhafte Beteiligung aller männlichen Bürger und die Erwartung, dass sie sich aktiv an der Führung der Polis beteiligen sollten, wird in diesem Zitat von Thukydides deutlich:
Wir allein halten einen Bürger, der sich nicht an der Politik beteiligt, nicht nur für einen, der sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmert, sondern für nutzlos.
Um die Wertschätzung der demokratischen Regierung zu verdeutlichen, gab es sogar eine göttliche Verkörperung des Ideals der Demokratie, die Göttin Demokratia. Die direkte Beteiligung an der Politik der Polis bedeutete auch, dass die Athener eine einzigartige kollektive Identität und wahrscheinlich auch einen gewissen Stolz auf ihr System entwickelten, wie Perikles in seiner berühmten Grabrede für die gefallenen Athener im Jahr 431 v. Chr., dem ersten Jahr des Peloponnesischen Krieges, zeigt:
Die Verfassung Athens wird Demokratie genannt, weil sie nicht die Interessen einer Minderheit, sondern die des ganzen Volkes achtet. Wenn es um die Beilegung privater Streitigkeiten geht, sind alle vor dem Gesetz gleich. Wenn es darum geht, einen Menschen vor einem anderen in öffentliche Ämter zu bringen, zählt nicht die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Klasse, sondern die tatsächliche Fähigkeit, die der Mensch besitzt. Niemand, der die Fähigkeit hat, dem Staat zu dienen, wird wegen seiner Armut von der Politik ausgeschlossen. (Thuc. 2.37)
Obwohl die aktive Teilnahme gefördert wurde, wurde schon die Anwesenheit bei der Volksversammlung zu einigen Zeiten bezahlt, was eine Maßnahme war, um die Bürger bei der Teilnahme zu unterstützen, die weit entfernt wohnten und sich nicht freinehmen konnten. Dieses Geld diente jedoch nur zur Deckung der Kosten, da jeder Versuch, von öffentlichen Ämtern zu profitieren, streng bestraft wurde. Bürger machten wahrscheinlich 10-20% der Bevölkerung der Polis aus, und von diesen beteiligten sich schätzungsweise nur etwa 3.000 aktiv an der Politik. Von dieser Gruppe wiederum beherrschten vielleicht 100 Bürger - die wohlhabendsten, einflussreichsten und besten Redner - die politische Arena sowohl vor der Volksversammlung als auch hinter den Kulissen in privaten konspirativen politischen Treffen (xynomosiai) und Gruppen (hetaireiai). Diese Gruppen mussten sich im Geheimen treffen, denn obwohl Redefreiheit herrschte, konnte anhaltende Kritik an Einzelpersonen und Institutionen zu Anschuldigungen der konspirativen Tyrannei und damit zur Verbannung durch das Scherbengericht führen.
Kritiker der Demokratie, wie Thukydides und Aristophanes, wiesen darauf hin, dass die Verfahren nicht nur von einer Elite beherrscht wurden, sondern dass auch der Demos zu oft von einem guten Redner oder populären Führern (den Demagogen) beeinflusst werden konnte, sich von seinen Emotionen mitreißen ließ oder nicht über das notwendige Wissen verfügte, um fundierte Entscheidungen zu treffen. Die wohl berüchtigtsten Fehlentscheidungen des athenischen Demos waren die Hinrichtung von sechs Generälen, die 406 v. Chr. die Schlacht bei den Arginusen gewonnen hatten, und das Todesurteil gegen den Philosophen Sokrates im Jahr 399 v. Chr.
Schlussfolgerung
Die Demokratie, die im Goldenen Zeitalter Athens geherrscht hatte, wurde 411 v. Chr. durch ein oligarchisches System ersetzt. Laut Thukydides schien diese Verfassungsänderung die einzige Möglichkeit zu sein, die dringend benötigte Unterstützung Persiens gegen den alten Feind Sparta zu gewinnen, und man ging außerdem davon aus, dass die Änderung nicht von Dauer sein würde. Nichtsdestotrotz kehrte die Demokratie in leicht abgewandelter Form letztendlich nach Athen zurück, und auf jeden Fall hatten die Athener mit der Schaffung ihres politischen Systems bereits genug getan, um spätere Zivilisationen noch zwei Jahrtausende später zu beeinflussen.
Nach den Worten des Historikers K. A. Raaflaub war die Demokratie im antiken Athen
ein einzigartiges und wahrhaft revolutionäres System, das sein Grundprinzip in einem noch nie dagewesenen und hochgradigen Ausmaß verwirklichte: Keine Polis hatte es je gewagt, all ihren Bürgern gleiche politische Rechte einzuräumen, unabhängig von ihrer Abstammung, ihrem Reichtum, ihrer sozialen Stellung, ihrer Bildung, ihren persönlichen Eigenschaften und allen anderen Faktoren, die normalerweise den Status in einer Gemeinschaft bestimmen.
Ideale wie diese sollten die Eckpfeiler aller Demokratien in der modernen Welt bilden. Die alten Griechen haben bildende Kunst, atemberaubende Tempel, zeitloses Theater und einige der größten Philosophen hervorgebracht, aber es ist die Demokratie, die vielleicht ihr größtes und dauerhaftestes Vermächtnis ist.