Der Teppich von Bayeux zeigt in Bildern die Ereignisse, die zur normannischen Eroberung des angelsächsischen Englands durch Wilhelm den Eroberer, Herzog der Normandie, und seinen Sieg über König Harald Godwinson in der Schlacht von Hastings im Jahr 1066 n. Chr. führten. Der Wandteppich, eigentlich eine Stickerei, da die Szenen aufgestickt und nicht in das Leinen eingewebt sind, wurde zwischen 1067 und 1079 n. Chr. höchstwahrscheinlich von Stickern, die in Canterbury, England, arbeiteten, und wahrscheinlich für Odo, den Bischof von Bayeux, hergestellt. Es ist das größte und am besten erhaltene Werk dieser Art aus dem Mittelalter und von unschätzbarem Wert, nicht nur wegen seines Beitrags zur Geschichte der normannischen Invasion, sondern auch wegen seiner Darstellung vieler Aspekte der mittelalterlichen Kriegsführung und des täglichen Lebens. Der Wandteppich ist jetzt im Zentrum Wilhelms des Eroberers in Bayeux in der Normandie, Frankreich, dauerhaft öffentlich ausgestellt.
Material & Abmessungen
Der Teppich von Bayeux ist auf Leinen gestickt, welches aus mehreren Bahnen zusammengesetzt ist, und aufgenäht auf eine Unterlage aus Stoff. Er ist 68,38 Meter lang und 50 cm breit. Der Faden, der zum Sticken der Bilder verwendet wurde, war hauptsächlich zweifädiges Wollgarn und etwas Leinenfaden. Die Fäden wurden mit Pflanzenmaterial gefärbt, wobei mindestens zehn verschiedene Farben verwendet wurden. Da die Szenen auf dem Tuch gestickt und nicht gewebt sind, ist es technisch gesehen kein Wandteppich, aber der Name ist seit dem Mittelalter erhalten geblieben, als solche dekorativen hängenden Tücher oder Bezüge, wie auch immer sie hergestellt wurden, als Tapis oder Tapisserie bekannt waren.
Der Wandteppich zeigt 58 Szenen der normannischen Eroberung des angelsächsischen Englands und die Ereignisse, die dazu geführt hatten, und erklärt (oder rechtfertigt, wie man auch sagen könnte) darin den Anspruch Wilhelms auf den Thron Englands. Die Szenen beinhalten 626 Charaktere sowie Pferde, Hunde, Schiffe, Bäume und Gebäude. Sie wurden wahrscheinlich nach einem Umriss gestickt, den ein einzelner Künstler zuerst auf das Tuch gezeichnet hatte. Die Hauptszenen sind oben und unten von einem Streifen begrenzt, der Fabelwesen wie Drachen und Greifen, seltsame menschliche Gestalten, Leichen und Körperteile zeigt. Einige dieser Randszenen könnten Fabeln darstellen oder bestimmte moralische Verhaltensweisen andeuten und dadurch einen Kommentar zur Hauptszene, die direkt über ihnen erscheint, liefern. Gestickte lateinische Worte und Phrasen erklären, wer oder was sich in der darunter stehenden Szene befindet. Der Wandteppich ist sehr gut erhalten und seine Farben noch hell, nur der letzte Abschnitt fehlt.
Historischer Überblick
Der wahrscheinlichste Ort für die Herstellung des Teppichs ist Canterbury, England, aber als andere Möglichkeiten werden auch die Normandie oder das Loiretal aufgeführt. Die englische Verbindung wird durch den Stil der gestickten Szenen nahegelegt, die denen in angelsächsischen Manuskripten ähneln, und durch die Tatsache, dass Canterbury zu dieser Zeit eine berühmte Stickschule hatte. Darüber hinaus enthält der lateinische Text häufig Wörter, die auf englische Weise geschrieben sind. Er wurde höchstwahrscheinlich für Odo, den Earl of Kent (eine weitere Verbindung zu Canterbury), Bischof von Bayeux und Halbbruder Wilhelms des Eroberers, hergestellt. Es ist vielleicht bezeichnend, dass Odo im Wandteppich selbst an hervorgehobener Stelle auftaucht. Der Teppich war jedoch traditionell als „Bildteppich der Königin Mathilda" nach der Frau von Wilhelm dem Eroberer, Mathilde von Flandern, bekannt, obwohl es keine spezifischen Hinweise auf eine Verbindung gibt.
Um 1077 n. Chr. wurde der Wiederaufbau der Kathedrale von Bayeux von Bischof Odo abgeschlossen und geweiht. Es ist möglich, dass der Wandteppich danach in der Kathedrale für die Öffentlichkeit ausgestellt wurde, obwohl der erste Verweis auf den Teppich in einem Text erst 1476 n. Chr. erscheint, als er im Inventar der Kathedrale aufgeführt wird. Eine andere Möglichkeit ist, dass der Wandteppich zuerst in der großen Halle von Odos privatem Wohnsitz aufgehängt wurde. Während des größten Teils seiner Existenz war der Wandteppich wahrscheinlich in einer Truhe eingeschlossen, die dem Blick entzogen in den Gewölben der Kathedrale aufbewahrt wurde. Der französische Staat nahm den Wandteppich nach der Französischen Revolution von 1792 n. Chr. in Besitz und Napoleon Bonaparte zeigte ihn kurz in Paris als ein Instrument zeitgerechter anti-britischer Propaganda. 1842 n. Chr. konnte die Öffentlichkeit von Bayeux ihren Wandteppich erneut sehen, als er in der öffentlichen Bibliothek der Stadt ausgestellt wurde. Während des Zweiten Weltkriegs in Sourches und dann im Louvre in Paris in Sicherheit gebracht, wurde der Teppich nach dem Krieg nach Bayeux zurückgebracht. Im Laufe der Jahre wurden mehrere kleinere Reparaturen am Wandteppich durchgeführt. Seit 1983 n. Chr. wurde dem Wandteppich im Zentrum Wilhelms des Eroberers (Centre Guillaume le Conquérant) in Bayeux ein eigener Raum eingeräumt.
Die Geschichte der normannischen Eroberung
Die meisten Szenen, die zusammen die Geschichte der normannischen Eroberung erzählen, stimmen in vielen Fällen mit mittelalterlichen schriftlichen Berichten überein, auch wenn es, wie bei einer rein visuellen Erzählung zu erwarten, einige Auslassungen gibt, wie zum Beispiel die Schlacht der Angelsachsen gegen Harald III. Hardråde von Norwegen an der Stamford Bridge drei Wochen vor Hastings. Da es sich eben um eine visuelle Darstellung handelt, bei der nur wenige lateinische Worte als Hinweise dienen, bieten viele Szenen Raum für mehrere Interpretationen. Der Wandteppich beginnt mit einer Szene aus dem Jahr 1064 n. Chr., in der sich der englische König Eduard der Bekenner (regierte 1042-1066 n. Chr.) von Harald Godwinson, seinem Schwager und dem Earl of Wessex, verabschiedet, als dieser in unbekannter Mission auf eine Reise in die Normandie aufbricht. Normannische Schriftsteller würden den Zweck der Mission als ein Versprechen der sächsischen Loyalität gegenüber Wilhelm, dem Herzog der Normandie, festhalten, während eine englische Chronik andeutet, dass es sich lediglich um einen Besuch handelte, um die Freilassung sächsischer Gefangener sicherzustellen.
Als nächstes kommt Haralds Schiff vom Kurs ab und er wird bei der Landung von Graf Guy von Ponthieu gefangen genommen. Wilhelm befiehlt Haralds Freilassung und verpflichtet ihn zur Mithilfe in einem Kampf mit Herzog Conan von der Bretagne. Harald kämpft gut und wird positiv als tapferer Krieger dargestellt, der es sogar schafft, zwei der Feinde vor Treibsand zu retten. Danach wird Harald von Wilhelm zum Ritter geschlagen, obwohl die Tatsache, dass er ein Banner hält und die lateinische Rubrik „Waffen" erwähnt, möglicherweise zeigt, dass Harald seine Banner zurückerhalten hat und jetzt ein Vasall des normannischen Herzogs ist. Harald schwört Wilhelm einen unbekannten Eid mit seinen Händen auf heiligen Reliquien und kehrt dann nach England zurück. Einige Kommentatoren haben vorgeschlagen, dass, weil Wilhelm in dieser Szene ein Schwert in der Hand hält, der Eid unter Zwang geleistet wurde und er daher, was auch immer der Eid tatsächlich war, später von Harald ehrenhaft gebrochen werden könnte.
Auf seinem Sterbebett ernennt König Eduard (sein Bart hier etwas länger als das letzte Mal, als wir ihn gesehen haben), der keinen Erben hatte, Harald zu seinem Nachfolger (Januar 1066 n. Chr.). Wir sehen als nächstes die Beerdigung von König Eduard in St. Peter in Westminster und dann die Krönung von Harald. Der neue König erhält seine Krone vom Erzbischof von Canterbury, Erzbischof Stigand, der vom Papst exkommuniziert worden war. Wiederum schlagen einige Kommentatoren vor, dass diese Szene auf die Illegitimität von Haralds Anspruch und die Unterstützung von Wilhelms Anspruch auf den englischen Thron hinweist, insbesondere wenn man bedenkt, dass andere Quellen Stigand diese Rolle nicht spielen lassen. Von Interesse sind hier auch die gespenstischen, ungefärbten Schiffe am unteren Rand dieser Szene - vielleicht ein Hinweis auf die bevorstehende Invasion?
Die nächsten Szenen (die nun im September stattfinden) zeigen die Normannen, die sich darauf vorbereiten, in Großbritannien einzufallen, indem sie Schiffe bauen und Pferde, Männer und Vorräte sammeln, darunter ein riesiges Weinfass, das wichtig genug ist, um eine eigene Bildunterschrift zu erhalten. Bei der Landung in Südengland lässt Wilhelm seine Männer Befestigungen bauen und sie werden gezeigt, wie sie die Landschaft plündern und Häuser verbrennen. Man kann die Normannen kochen sehen und Bischof Odo sitzt an einem Tisch, bemerkenswerterweise ähnlich einer Illustration aus einem Canterbury-Manuskript des letzten Abendmahls Christi.
Das Hauptthema des Wandteppichs wird nun behandelt: die Schlacht von Hastings im Oktober 1066 n. Chr., die ein Drittel des Wandteppichs bedeckt. Die normannische Kavallerie, die Kettenhemd oder gepolsterte Rüstung trägt und mit Speeren, Lanzen und Langschwertern bewaffnet ist, steht im Mittelpunkt. Die Angelsachsen, von denen viele nur gewöhnliche Tuniken tragen, tragen Speere, Äxte und einschneidige Schwerter. Unter den Sachsen wird nur Harald auf einem Pferd gezeigt. Die sächsische Strategie besteht darin, enge Formationen von Fußsoldaten zu schaffen, die sich gegenseitig mit ihren Schilden schützen, während die Normannen die Kavallerie bevorzugen. Es gibt gewalttätige Details, Pfeile und Speere fliegen über die Kampfszenen, und es wird der dramatischen Tod von Harald und seinen zwei Brüdern Gyrth und Leofwine gezeigt. Siegreich jagt die normannische Kavallerie die verbleibenden Sachsen vom Schlachtfeld.
Ein Fenster in die mittelalterliche Geschichte
Der Wandteppich enthüllt viele Details des Lebens im Mittelalter, auch wenn sie möglicherweise mit künstlerischer Freiheit dargestellt werden. Es werden Burgen vom Typ der Motte gezeigt, große Hallen, Kirchen, Häuser, Schiffe, mittelalterliche Bankette, Jagden mit Falken und Hunden, eine Krönung, Kleidung aller Art, Rüstungen und Waffen in Hülle und Fülle und sogar ein Erscheinen von Halleys Kometen. Mittelalterliche Kriegsführung ist ein naheliegendes Thema, auf das der Wandteppich ein Licht wirft. Zum Beispiel weisen die auf dem Wandteppich abgebildeten Schilde darauf hin, dass Wappen oder individualisierte Objekte noch nicht häufig verwendet wurden, obwohl sowohl Wilhelm als auch Harald sie möglicherweise hatten. Der Wandteppich zeigt zwei Arten normannischer Bogenschützen, die sich dadurch unterscheiden, dass eine Gruppe Rüstungen trägt und die andere scheinbar in Lumpen gekleidet ist, was darauf hindeutet, dass sowohl professionelle als auch eingezogene Bogenschützen eingesetzt wurden.
Zu den abgebildeten Aspekten des täglichen Lebens gehört die gewöhnliche Garderobe aus Tuniken und Beinlingen für Männer jeden Status und langen Kleidern für die wenigen abgebildeten Frauen. Landestypische Moden werden gezeigt, wie die Vorliebe der Normannen für sehr kurzes Haar mit hochrasiertem Nacken und die der Sachsen für langes Haar und Schnurrbärte. Landwirtschaftliche Szenen zeigen das Pflügen, das Säen von Samen und das Abschrecken von Vögeln. Es gibt sogar eine der frühesten Darstellungen eines Arbeitspferdes mit Halsgeschirr und Pflug.
Trotz all dieser faszinierenden Bilder gibt es einige Details und Auslassungen, die möglicherweise ungenau sind, wie z. B. Bogenschützen mit Sporen (was einige Kommentatoren ohne bestätigende Beweise dazu veranlasst hat, zu behaupten, dass die Normannen berittene Bogenschützen einsetzten). Es gibt keine Darstellungen von Armbrustschützen im Wandteppich, obwohl bekannt ist, dass sie zu dieser Zeit in Frankreich eingesetzt wurden - vielleicht wussten die Künstler einfach nicht, wie sie sie darstellen sollten. Es gibt auch Kuriositäten, wie die Beerdigung von Eduard dem Bekenner, die vor dem Tod des Königs gezeigt wird, als ob ein Fehler in der Reihenfolge zwischen der Skizzierung des Umrisses und dem Sticken gemacht worden wäre. Ein Hauptdiskussionspunkt ist Haralds Tod. Der König wird mit einem Pfeil im Kopf oder im Auge gezeigt, aber es gibt Hinweise darauf, dass dies während Restaurierungen im 19. Jahrhundert n. Chr. der Szene hinzugefügt wurde. Andererseits deuten kleine Löcher im Leinen darauf hin, dass sich im Original etwas dort befand - vielleicht eine Lanze. Selbst wenn dort ursprünglich ein Pfeil war, können wir natürlich immer noch nicht sicher sein, ob dies tatsächlich so geschehen ist. Handelt es sich um einen Fall, in dem der Teppich die Geschichte aufzeichnet, oder in dem er die späteren Legenden, die um die Geschichte herum gewachsen sind, wiedergibt?
Schließlich gibt es noch mehrere Szenen, die sich jahrhundertelang der Interpretation widersetzt haben und ein Rätsel bleiben, wie ein Priester mit Tonsur, der scheinbar eine Frau namens Aelfgva liebkost, eine bärtige Zwergenfigur, die möglicherweise Turold heißt, oder die kleinen nackten menschlichen Gestalten auf einem Teil des Randes, von denen eine eine Axt schwingt. Das größte Rätsel ist natürlich, was die letzte fehlende Szene war. Zu den Theorien gehört eine mögliche Krönungsszene von Wilhelm, der am Weihnachtstag 1066 n. Chr. in Westminster Abbey zum König von England ernannt wurde, was eine gute Balance in Verbindung mit der Darstellung von König Eduard auf seinem Thron zu Beginn und Harald, der auf seinem Thron in der Mitte des Teppichs sitzt, herstellen würde.