Feudalismus

Definition

Mark Cartwright
von , übersetzt von Marina Wrackmeyer
Veröffentlicht am 22 November 2018
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Farmers in Feudal England (by Amplitude Studios, Copyright)
Landwirte im feudalen England
Amplitude Studios (Copyright)

Der Feudalismus war ein System in den europäischen Gesellschaften des Mittelalters (10. bis 13. Jahrhundert), in dem eine soziale Hierarchie auf der Grundlage lokaler Verwaltungskontrolle und der Aufteilung von Land in Einheiten (Lehen) geschaffen wurde. Ein Grundbesitzer (Herr) vergab ein Lehen, verbunden mit dem Versprechen, es militärisch und rechtlich zu schützen, und erhielt dafür von demjenigen, der es erhielt (Vasall), eine Art von Bezahlung.

Die Zahlung des Vasallen an den Lehnsherrn erfolgte in der Regel in Form von Lehnsdiensten, die in Form von Militärdienst oder regelmäßigen Zahlungen von Waren oder Geld geleistet wurden. Sowohl der Lehnsherr als auch der Vasall waren Freie, und der Begriff Feudalismus wird im Allgemeinen nicht auf die Beziehung zwischen der unfreien Bauernschaft (Leibeigenen) und der Person höheren Ranges, auf deren Land sie arbeiteten, angewendet.

Probleme bei der Definition des Feudalismus

Obwohl die Begriffe „Feudalismus“ und „Feudalgesellschaft“ in Geschichtstexten häufig verwendet werden, waren sich die Gelehrten nie einig, was diese Begriffe genau bedeuten. Die Begriffe wurden ab dem 16. Jahrhundert auf die mittelalterliche Gesellschaft in Europa und später auf Gesellschaften in anderen Ländern angewandt, insbesondere in der Zhou-Periode in China (1046–256 v. Chr.) und der Edo-Periode in Japan (1603–1868). Der Begriff Feudalismus wurde von den Menschen, die im Mittelalter lebten, nicht verwendet. Auch kann das einmal definierte Feudalsystem nicht einheitlich auf verschiedene europäische Staaten angewandt werden, da es in verschiedenen geografischen Gebieten und in verschiedenen Jahrhunderten unterschiedliche Gesetze und Bräuche gab. Daher sind viele Historiker der Ansicht, dass der Begriff Feudalismus für das Verständnis der mittelalterlichen Gesellschaften nur von begrenztem Nutzen ist.

Das Oxford English Dictionary enthält eine möglichst präzise Definition des Begriffs Feudalismus, die dennoch die verschiedenen Anwendungsebenen einschließt:

Das vorherrschende gesellschaftliche System im mittelalterlichen Europa, in dem der Adel Ländereien von der Krone im Austausch gegen Militärdienst erhielt und die Vasallen wiederum Pächter des Adels waren, während leibeigene Bauern verpflichtet waren, auf dem Land ihres Herrn zu leben und ihm Huldigung, Arbeit und einen Anteil an den Erträgen zu geben, theoretisch im Austausch für militärischen Schutz.

The Feudal Society in Medieval Europe
Die feudale Gesellschaft im mittelalterlichen Europa
Simeon Netchev (CC BY-NC-ND)

Was waren die Ursprünge des Feudalismus?

Das Wort „Feudalismus“ leitet sich von den mittelalterlichen lateinischen Begriffen feudalis, im Sinne von Gebühr, und feodum, dem Lehen, ab. Die Gebühr bezeichnete das Land (das Lehen), das als Bezahlung für regelmäßige Militärdienste vergeben wurde. Das System hatte seine Wurzeln in der römischen Grundherrschaft (in der Arbeiter mit Schutz entlohnt wurden, während sie auf großen Ländereien lebten) und im Frankenreich des 8. Jahrhunderts, wo ein König Land auf Lebenszeit (beneficium) vergab, um loyale Adlige zu belohnen und im Gegenzug Dienste zu erhalten. Das eigentliche Feudalsystem verbreitete sich in Westeuropa ab dem 11. Jahrhundert, vor allem dank der Normannen, deren Herrscher überall dort, wo ihre Armeen eroberten, Land aufteilten und verteilten.

Der Vasall erhielt alle Einkünfte aus dem Land, hatte die Autorität über seine Bewohner inne und konnte diese Rechte an seine Erben weitergeben.

Feudalherren und Vasallen

Ausgehend von der Spitze der Gesellschaftspyramide konnte der Monarch – ein gutes Beispiel dafür ist Wilhelm der Eroberer (reg. 1066–1087), der alle Ländereien Englands als sein persönliches Eigentum betrachtete – einem Adligen ein Stück Land (ohne feste Größe) überlassen, und dieser fungierte im Gegenzug als Vasall des Monarchen, d. h. er versprach, ihm bei Bedarf Treue und Dienste zu leisten. Auf diese Weise wurde eine persönliche Bindung geschaffen. Der häufigste und am meisten benötigte Dienst war der Militärdienst. Zu den militärischen Verpflichtungen gehörten der Kampf in der Armee des Monarchen oder der Schutz von Vermögenswerten der Krone, wie z. B. von Burgen. In manchen Fällen wurde anstelle des Militärdienstes eine Geldzahlung (das so genannte Schildgeld) angeboten, die der Monarch dann zur Bezahlung von Söldnern verwendete. Der Vasall erhielt alle Einkünfte aus dem Land, hatte die Autorität über dessen Bewohner inne und konnte diese Rechte an seine Erben weitergeben.

Die Adligen, die Land erhalten hatten, auch als suzeräne Vasallen bezeichnet, konnten viel mehr besitzen, als sie entweder brauchten oder selbst verwalten konnten, und so verpachteten sie oft Teile davon an Vasallen weiter. Auch hier erhielt die Person das Recht, das Land zu nutzen und davon zu profitieren, und war im Gegenzug dem Grundbesitzer in der einen oder anderen Form einen Dienst schuldig. Dieser Dienst konnte wiederum in Form von Militärdienst geleistet werden (typisch im Falle eines Ritters), oder – da Pächter einer niedrigeren sozialen Schicht angehörten (aber immer noch freie Bürger waren) und möglicherweise nicht über die erforderlichen militärischen Fähigkeiten oder Ausrüstungen verfügten – sie boten in der Regel einen Prozentsatz ihrer Einkünfte aus dem gepachteten Land an (entweder in Form von Geld oder Erzeugnissen) oder leisteten, später im Mittelalter, eine feste Pachtzahlung. In unregelmäßigen Abständen waren auch besondere Abgaben an den Grundherrn zu entrichten, etwa wenn die älteste Tochter heiratete oder der Sohn zum Ritter geschlagen wurde.

English Medieval Knight
Englischer mittelalterlicher Ritter
The British Museum (Copyright)

Die Vereinbarung, die einen Vasallen schuf, wurde als „Huldigung“ bezeichnet, da sie oft vor ihrem jeweiligen Lehnsherrn niederknieten und einen Treueeid schworen, für den sie im Gegenzug nicht nur das Land, sondern auch, wenn nötig, den Schutz ihres Herrn erhielten. Dieses Schutzversprechen war in Kriegszeiten, in denen es immer wieder zu Überfällen feindlicher Nachbarstaaten kam und die Gefahr eines allgemeinen Banditentums bestand, keine Kleinigkeit. Schutz gab es auch in Form von rechtlicher Unterstützung und Vertretung, wenn ein Vasall vor ein Zivil- oder Kirchengericht gestellt wurde. Ein Pächter vererbte sein Pachtrecht in der Regel an seinen Erben, obwohl es manchmal möglich war, das Pachtrecht an einen Dritten zu verkaufen, sofern der Grundherr, dem das Land gehörte, damit einverstanden war.

Eine andere Art von Beziehung in feudalen Gesellschaften, vor allem im mittelalterlichen Deutschland und Frankreich, war das Allod, ein unentziehbares, d. h. nicht zurücknehmbares Eigentum. Die Inhaber eines Allods schuldeten immer noch eine Form der Loyalität gegenüber einem übergeordneten lokalen Herrn, aber die Beziehung basierte nicht auf Landbesitz, so dass diese Loyalität schwieriger durchzusetzen war.

Das Feudalsystem hielt sich als Status quo, weil die Kontrolle über Land die Fähigkeit voraussetzte, Militärdienst zu leisten, und Land benötigt wurde, um den Militärdienst zu finanzieren.

Das Feudalsystem hielt sich als Status quo, weil die Kontrolle über Land die Fähigkeit zum Militärdienst voraussetzte und aufgrund der damit verbundenen Kosten (für Waffen, Rüstungen und Pferde) Land zur Finanzierung des Militärdienstes erforderlich war. So gab es eine fortwährende Kluft zwischen dem Landadel (Monarchen, Grundherren und einige Pächter) und denjenigen, die das Land für sie bearbeiteten, die freie oder unfreie Arbeiter sein konnten. Unfreie Arbeiter waren Leibeigene, die am unteren Ende der gesellschaftlichen Pyramide standen und die große Mehrheit der Bevölkerung ausmachten. Sie arbeiteten unentgeltlich auf dem Land, das anderen gehörte oder gepachtet war, um Nahrung für sich selbst und – was ebenso wichtig war – Nahrung und Profit für ihre Herren zu produzieren. Sie wurden oft wie Sklaven behandelt und durften das Gut, auf dem sie lebten und arbeiteten, nicht verlassen. Der Begriff Feudalismus wird jedoch von modernen Historikern im Allgemeinen nur auf die Beziehung zwischen Grundherren und Vasallen und nicht auf die Bauernschaft angewandt. Vielmehr wird das Verhältnis zwischen Leibeigenen und Grundbesitzern oder Pächtern als Grundherrschaft bezeichnet, im Englischen das manorial system nach der gebräuchlichsten Einheit von Grund und Boden, dem „Herrenhaus“ (manor).

Folgen und Auswirkungen des Feudalismus

Die Folge des Feudalsystems war die Bildung von sehr lokal begrenzten Gruppen von Gemeinschaften, die einem bestimmten lokalen Grundherrn, der in seinem Gebiet absolute Autorität ausübte, Loyalität schuldeten. Da die Lehen häufig vererbbar waren, entstand eine dauerhafte Klassenteilung zwischen denen, die Land besaßen, und denen, die es pachteten. Das System war oft zugunsten des Herrschers gewichtet, denn wenn ein Adliger ohne Erben starb, fiel sein Besitz an den Monarchen zurück, der ihn entweder für sich selbst behielt oder an einen anderen Adligen umverteilte. Monarchen konnten Land zu politischen Zwecken verteilen, um den Besitz eines Adligen zu zersplittern oder ihn vom Hof zu distanzieren. Es wurde auch schwierig, den Überblick darüber zu behalten, wer was besaß, was zu solchen Kontrollen wie dem Domesday Book von 1087 führte.

Great Domesday Book
Great Domesday Book
UK National Archives (CC BY)

Eine weitere Auswirkung war die Anwesenheit von Vasallen an den lokalen Gerichten, wo sie über Fälle berieten, die die Güter ihrer Herren betrafen. So konnte es zu einem eindeutigen Interessenkonflikt und einem Mangel an Unparteilichkeit kommen, selbst wenn die schwerwiegenderen Strafsachen an die Gerichte der Krone verwiesen wurden.

Darüber hinaus konnte das System der feudalen Beziehungen zu ernsthaften Unruhen führen. Manchmal konnte ein Monarch wegen eines Krieges auf aktiven Militärdienst bestehen, aber die Adligen konnten sich auch weigern, wie dies bei König Johann von England im Jahr 1215 und dem Aufstand der Barone geschah, der zur Unterzeichnung der Magna Carta führte. Im Jahr 1215 und bei den folgenden Aufständen im 13. Jahrhundert handelten die Barone kollektiv für ihre eigenen Interessen, was eine direkte Bedrohung für das gesamte Feudalsystem darstellte, das auf einzelnen Lehnsherren und Vasallen beruhte, die ihre eigenen privaten Vereinbarungen trafen. Der Militärdienst wurde auf eine feste Dauer reduziert, in England meist auf 40 Tage, um die Belastung der Adligen zu verringern, damit sie ihre Ländereien nicht zu lange unbeaufsichtigt lassen mussten. Allerdings reichten 40 Tage in der Regel nicht aus, um einen Feldzug zu vollenden, und so war der Monarch gezwungen, Söldner zu bezahlen, was der Tradition des Feudalismus und dem Vasallentum einen weiteren Schlag versetzte.

Warum ging der Feudalismus unter?

Der mittelalterliche Feudalismus beruhte im Wesentlichen auf dem Verhältnis der gegenseitigen Hilfe zwischen Herren und Vasallen, doch als das System im Laufe der Zeit immer komplexer wurde, schwächte sich dieses Verhältnis ab. Die Feudalherren besaßen mehrere Ländereien, und die Vasallen konnten Pächter verschiedener Grundstücke sein, so dass die Loyalitäten verwirrend und sogar widersprüchlich wurden und die Menschen sich für die Beziehung entschieden, die ihren eigenen Bedürfnissen am besten entsprach.

Ein weiterer Schlag für das System war der plötzliche Bevölkerungsrückgang, der durch Kriege und Seuchen, insbesondere den Schwarzen Tod (der zwischen 1347 und 1352 seinen Höhepunkt erreichte), und durch Bauernaufstände (am bekanntesten in England im Jahr 1381) verursacht wurde. Diese Krisen führten zu einem chronischen Arbeitskräftemangel und zur Aufgabe von Ländereien, weil es niemanden gab, der sie bestellte. Das Wachstum der großen Städte führte auch dazu, dass Arbeitskräfte das Land verließen, um eine bessere Zukunft und neue Arbeitsplätze zu finden.

Im 13. Jahrhundert veränderten die Zunahme des Handels und die zunehmende Verwendung von Münzen die Funktionsweise des Feudalsystems. Geld ermöglichte es den Feudalherren, ihren Herrscher zu bezahlen, anstatt Militärdienst zu leisten. Der Einsatz von Söldnern durch den Monarchen bedeutete nun Militärdienst, und so verloren die Barone selbst an Bedeutung für die Verteidigung des Reiches. Umgekehrt konnte ein Monarch nun Geld statt Land in seinem Belohnungssystem verteilen. Es entwickelte sich eine reiche Kaufmannsschicht, die nur noch ihrem Herrscher, ihren Lieferanten und ihren Kunden gegenüber loyal war. Sogar Leibeigene konnten sich manchmal freikaufen und den Umständen entkommen, in die sie hineingeboren worden waren. All diese Faktoren führten zu einer Schwächung des auf Grundbesitz und Diensten basierenden Feudalsystems, auch wenn der Feudalismus in einigen Formen und an einigen Orten über das Mittelalter hinaus fortbestehen sollte.

Fragen und Antworten

Wie definiert man Feudalismus möglichst einfach?

Feudalismus kann man einfach als ein System definieren, in dem ein Grundbesitzer (der Grundherr) ein Lehen (ein Stück Land) gegen eine Zahlung oder ein Dienstversprechen der Person, die es erhielt (der Vasall), vergab. Der Grundherr versprach auch, den Vasallen zu schützen.

Was war der Grundgedanke des Feudalismus?

Der Grundgedanke des Feudalismus war, dass Land als Gegenleistung für Dienste vergeben wurde. Folglich hatten die Grundherren Leute (Vasallen), die für sie kämpfen konnten, und der Vasall erhielt den Schutz des Grundherrn. Diese Beziehung beruhte auf Loyalität.

Warum ging der Feudalismus unter?

Der Feudalismus ging zurück, weil die Gesellschaft komplexer wurde und die Beziehungen zwischen Herren und Vasallen weniger direkt waren. Weitere Gründe für den Niedergang des Feudalismus waren der Rückgang der Bevölkerung und die zunehmende Verwendung von Geld als Zahlungsmittel anstelle von Dienstversprechen.

Übersetzer

Marina Wrackmeyer
Marina arbeitet hauptberuflich im KEP-Innendienst und nebenbei an der Herausgabe der WHE auf Deutsch. Sie liest und lernt gerne und ist besonders an Sprachen und Geschichte interessiert.

Autor

Mark Cartwright
Mark ist hauptberuflich als Autor, Forscher, Historiker und Redakteur tätig. Zu seinen Spezialinteressen gehören Keramik, Architektur, Weltmythologie und die Entdeckung der Ideen, die alle Zivilisationen vereinen. Er hat einen MA in politischer Philosophie und ist Verlagsleiter bei WHE.

Dieses Werk Zitieren

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Cartwright, M. (2018, November 22). Feudalismus [Feudalism]. (M. Wrackmeyer, Übersetzer). World History Encyclopedia. Abgerufen auf https://www.worldhistory.org/trans/de/1-17606/feudalismus/

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Cartwright, Mark. "Feudalismus." Übersetzt von Marina Wrackmeyer. World History Encyclopedia. Letzte November 22, 2018. https://www.worldhistory.org/trans/de/1-17606/feudalismus/.

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Cartwright, Mark. "Feudalismus." Übersetzt von Marina Wrackmeyer. World History Encyclopedia. World History Encyclopedia, 22 Nov 2018. Internet. 20 Nov 2024.