Mantikor

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Definition

Liana Miate
von , übersetzt von Marina Wrackmeyer
Veröffentlicht am 19 August 2022
In anderen Sprachen verfügbar: Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch
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Manticore (by British Library, Public Domain)
Mantikor
British Library (Public Domain)

Der Mantikor, abgeleitet vom frühmittelpersischen merthykhuwar oder martiora, was „Menschenfresser“ bedeutet (auch bekannt als manticora oder martichora), ist eine furchterregende Mischkreatur, die in der klassischen und mittelalterlichen Literatur vorkommt. Er hat den Körper eines Löwen, den Kopf eines Menschen und einen Skorpionschwanz, der giftige Stacheln verschießen kann.

Der Mantikor ist eine der bizarrsten und grausamsten Kreaturen, die in klassischen und mittelalterlichen Bestiarien beschrieben werden. Seine Wurzeln lassen sich bis nach Indien und Persien (dem heutigen Iran) zurückverfolgen. Der Mythos des Mantikors erstreckt sich über mehrere Jahrhunderte, und seine bekanntesten Beschreibungen sind die von Ktesias von Knidos (5. Jahrhundert v. Chr.), Plinius dem Älteren (23-79 n. Chr.) und Pausanias (ca. 115 bis ca. 180 n. Chr.).

Erscheinungsbild und Merkmale

Die früheste bekannte Erwähnung des Mantikors stammt von dem griechischen Historiker und Arzt Ktesias von Knidos in seinen Indiká (geschrieben im 5. Jahrhundert v. Chr.). Obwohl die Indiká heute verloren sind, existieren Fragmente von Ktesias' Werk in den Schriften anderer Autoren, und wir haben eine klare Beschreibung des Mantikors. Gemäß Plinius dem Älteren in seiner Naturalis historia:

Ktesias schreibt, dass es unter diesen Menschen ein Tier gibt, das Mantichora genannt wird, das drei Reihen von Zähnen wie ein Kamm hat, das Gesicht und die Ohren eines Menschen und bläuliche Augen. Es ist von roter Farbe, hat den Körper eines Löwen und einen Schwanz mit Stacheln wie ein Skorpion. Seine Stimme ist so, als ob sich die Töne der Pfeife mit einer Trompete vermischen würden, und es ist ein Wesen von großer Schnelligkeit, das es auf Menschenfleisch abgesehen hat. (8.75)

Plinius' Bericht über den Mantikor beeinflusste spätere Autoren. Er schien dem Ungeheuer eine Grundlage in der Realität zu geben, da er jahrhundertelang als Experte für seltsame und wundersame Kreaturen galt.

Es ist bekannt, dass der Mantikor keine Spuren seiner Beute hinterlässt.

Man nahm an, dass sich die Morphologie des Mantikors aus seiner Umgebung entwickelt hatte - der rauen und kargen Landschaft der Wüsten Indiens und des Nahen Ostens. Er musste wild sein und über Waffen verfügen, um seine Beute zu fangen und zu verhindern, selbst von Raubtieren gefangen zu werden. Anfangs ernährte sich der Mantikor von Tieren wie Schweinen und Bergziegen, doch dann wurde er bei der Jagd auf Vieh in die Dörfer gelockt und begann unweigerlich, Menschen anzugreifen und zu fressen, wodurch die Legende vom menschenfressenden Mantikor entstand.

Es ist bekannt, dass der Mantikor keine Spuren seiner Beute hinterlässt. Er konnte einen Menschen aus nächster Nähe mit seinen scharfen Klauen angreifen oder aus sicherer Entfernung giftige Stacheln aus seinem Skorpionschwanz abschießen. Wenn er die giftigen Stacheln aus seinem Schwanz abschießt, biegt sich der Schwanz entweder zurück oder streckt sich aus. Der römische Schriftsteller Claudius Aelianus (175-235 n. Chr.) stellt fest, dass „er alles, was er trifft, tötet, mit Ausnahme von Elefanten“ (Tiergeschichten, 4.21). Die giftigen Stacheln werden als dick wie ein Seil und einen Fuß (30 cm) lang beschrieben. Wenn ein Stachel ausgeworfen wurde, wächst an seiner Stelle ein neuer nach.

Mantikore stillten nicht nur ihren Hunger, indem sie einen Menschen töteten, sondern jagten mehrere Menschen auf einmal und hatten großen Spaß an der Jagd. Ihre bevorzugte Art, Beute anzulocken und zu jagen, bestand darin, ihren Körper im langen Gras zu verstecken, so dass die Menschen aus der Ferne nur den Kopf eines Menschen sehen konnten. Dadurch getäuscht, näherten sich die Menschen dem Mantikor, und bevor sie begriffen, was geschah, wurden sie angegriffen und getötet. Dies zeigte, wie listig und gerissen der Mantikor war. Obwohl Menschen zweifellos die bevorzugte Beute der Mantikore waren, jagten sie auch regelmäßig das gesamte Tierreich, mit Ausnahme von Löwen, die sie nie überwältigen konnten.

Manticore in British Library
Mantikor in der British Library
Unknown Artist (Public Domain)

Um der Aggressivität der Mantikore Einhalt zu gebieten, jagten die Inder die Jungen der Mantikore und zerschmetterten ihre Schwänze mit Steinen, damit sie nicht wachsen und ihre giftigen Stacheln abschießen konnten, was ihnen die Fähigkeit nahm, Menschen aus großer Entfernung zu verletzen. Mantikore lebten in Höhlen tief unter der Erde, wo sie sich vor ihrer Beute verstecken und von den Menschen nicht gesehen werden konnten.

Ursprünge und mögliche Erklärungen

Es wird angenommen, dass der Mantikor seinen Ursprung im alten Indien und Persien hat. Einigen Quellen zufolge stammt er aus der altpersischen Mythologie, während andere behaupten, er sei eine indische Kreatur. Laut Claudius Aelianus in seinen Tiergeschichten „behauptet Ktesias, ein solches Tier, das dem persischen König als Geschenk gebracht wurde, gesehen zu haben“ (4.21). Andere Autoren bestätigen diese Behauptung und erklären, dass Ktesias die Kreatur zwar zuerst in Persien gesehen hatte, sie aber ursprünglich aus Indien stammte. Daher ist es vielleicht richtig zu sagen, dass der Mantikor ursprünglich aus der persischen Literatur stammte, aber als eine Kreatur aus der indischen Mythologie dargestellt wurde.

Obwohl Plinius der Ältere den Mantikor in seiner Naturalis historia als Realität zu akzeptieren schien, scheuten sich einige seiner Schriftstellerkollegen nicht, die Kreatur als reinen Unsinn abzutun und zu behaupten, es handele sich um ein anderes Tier, das Ktesias gesehen habe. So vergleicht der griechische Historiker und Geograf Pausanias in seiner Beschreibung Griechenlands den Mantikor mit einem Tiger und versucht, eine rationale Erklärung für seine Herkunft zu geben:

Dem Bericht des Ktesias zufolge gibt es in Indien ein Tier, das von den Indern Martichora und von den Griechen ‚Menschenfresser‘ genannt wird und das ich für einen Tiger halte. Es hat drei Reihen von Zähnen an jedem Kiefer und einen Stachel an der Schwanzspitze. Mit diesen Stacheln verteidigt es sich im Nahkampf und verschießt sie im Fernkampf wie den Pfeil eines Bogenschützen. Ich glaube, dass die übermäßige Angst vor dem Tier die Inder dazu gebracht hat, einander falsche Berichte zu geben. (9.21.4)


Im 2. Jahrhundert n. Chr. behauptete der griechische Schriftsteller Flavius Philostratos (ca. 170-245 n. Chr.), dass der Mantikor eine „Lügengeschichte“ sei (Vita Apollonii, 3.45).

Aristoteles (384-322 v. Chr.), der zusammen mit Plinius dem Älteren im Mittelalter als große Autorität auf dem Gebiet der bekannten Welt galt, bestritt die Existenz von Mischwesen. Er stellte fest, dass es für so unterschiedliche Tiere unmöglich sei, sich erfolgreich miteinander fortzupflanzen. Dies tat jedoch der wachsenden Beliebtheit von monströsen Mischwesen in Kunst und Literatur keinen Abbruch.

Im 13. Jahrhundert verglich der Pariser Gelehrte Bartholomaeus Anglicus den Mantikor mit einem Bären und verortete ihn in seinem Werk De proprietatibus rerum (Über die Ordnung der Dinge) in Indien. Der italienische Gelehrte Brunetto Latini ordnete ihn in seiner Enzyklopädie Li Livres dou Trésor (Schatzbücher) mit anderen fleischfressenden Kreaturen wie dem Wolf und der Hyäne ein.

Manticore at the Church of St Mary and St David, Kilpeck, Herefordshire (12th century)
Mantikor an der Kirche von St. Mary und St. David, Kilpeck, Herefordshire (12. Jahrhundert)
andy dolman (CC BY-SA)

Das markante Gebiss und der seltsame Ruf des Mantikors veranlassten einige klassische und frühneuzeitliche Schriftsteller, ihn mit der afrikanischen Hyäne zu vergleichen. Sein langer Schwanz und seine Schnelligkeit ließen andere denken, er sei eher ein Gepard. Das furchterregende Wesen der Kreatur und ihre Vorliebe für Menschenfleisch könnten einfach die Angst vor dem Unbekannten und Fremden widerspiegeln.

Darstellungen

Während des Mittelalters war der Mantikor ein beliebtes Motiv in Bestiarien. In mittelalterlichen Kathedralen waren sie oft als Dekoration zu sehen und symbolisierten den hebräischen Propheten Jeremia, der Unheil verkündete. Im 16. Jahrhundert wurden Mantikore gelegentlich in der Heraldik verwendet. Dieser Trend hielt jedoch nicht lange an, da man glaubte, dass sie das Böse repräsentierten – eine Vorstellung, die im Mittelalter weit verbreitet war.

Darstellungen des Mantikors finden sich auf der Hereford-Karte (einer mittelalterlichen Karte der bekannten Welt), wo er einem Tiger gegenübersteht. Ein Wandgemälde auf Schloss Runkelstein (in Südtirol, Italien) zeigt einen von König Artus' Rittern, der einem Mantikor und einem anderen Tier (einem Löwen oder Leoparden) entgegentritt. In Edward Topsells (1572-1625) History of Four-Footed Beasts ist ein Holzschnitt des Mantikors mit seinen markanten Zähnen neben einer Beschreibung des Tieres abgebildet.

In mehreren Romanen über Alexander den Großen (reg. 336-323 v. Chr.) aus dem 13. und 14. Jahrhundert wird erwähnt, dass Mantikore und andere furchterregende Tiere seine Armee auf ihren Feldzügen angriffen.

Woodcut from Edward Topsell's The Historie of Foure-footed Beastes (1607)
Holzschnitt aus Edward Topsell's The Historie of Foure-footed Beastes (1607)
Edward Topsell (Public Domain)

In moderneren Darstellungen gibt es keinen Mangel an Mantikoren in Fantasy-Spielen und Büchern. Der Mantikor ist in der ersten Ausgabe von Dungeons & Dragons (1974) und im Sammelkartenspiel Magic: The Gathering (1993) zu finden. In der Buchreihe Percy Jackson von Rick Riordan kann sich Dr. Thorn, der Gegenspieler des Helden Percy Jackson, in einen Mantikor mit einem tödlichen Skorpionschwanz verwandeln. Der Nobelpreisträger Salman Rushdie lässt den Mantikor im ersten Kapitel seines berühmten Werkes Die satanischen Verse (1988) auftreten. Der Mantikor taucht auch in der beliebten Harry-Potter-Reihe von J. K. Rowling auf. In Harry Potter und der Gefangene von Askaban (2004) lesen die Hauptfiguren von einem Mantikor, der Menschen tötet, und in Harry Potter und der Feuerkelch (2005) kreuzt Hagrid einen Mantikor mit Feuerkrabben, um eine neue Hybridkreatur zu erschaffen, den Knallrümpfigen Kröter. Interessanterweise werden nicht alle Mantikore im Fantasygenre als grausame Bestien dargestellt: In E. Nesbits The Book of Dragons hilft einer der jungen Helden einem scheuen, sanftmütigen Mantikor bei der Flucht aus einem Bestiarium.

Fragen und Antworten

Was ist ein Mantikor?

Der Mantikor ist eine Kreatur aus der persischen und indischen Mythologie und kommt häufig in der griechischen und mittelalterlichen Literatur vor. Er hat den Kopf eines Menschen, den Körper eines Löwen und einen Skorpionschwanz, der giftige Stacheln verschießen kann. Er ist eine äußerst furchterregende Kreatur.

Wie wurde der Mantikor getötet?

Wie andere große, gefährliche Kreaturen konnten Mantikore mit Speeren und Pfeilen getötet werden – wenn sie gefangen werden konnten. Sie waren sehr schnell und versteckten sich oft in Höhlen unter der Erde.

Was ist die Schwäche eines Mantikors?

Obwohl ein Mantikor nicht viele Schwächen hat, hat er eine Abneigung gegen Elefanten - tatsächlich sind Elefanten das einzige Lebewesen, das Mantikore meiden.

Was ist der Mythos des Mantikors?

Über den Mantikor gibt es keinen einzelnen Mythos, er wird jedoch in der persischen, griechischen und mittelalterlichen Literatur und in Bestiarien erwähnt.

Sind Mantikore giftig?

Mantikore haben einen skorpionartigen Schwanz, mit dem sie giftige Stacheln verschießen können.

Übersetzer

Marina Wrackmeyer
Marina arbeitet hauptberuflich im KEP-Innendienst und nebenbei an der Übersetzung der WHE ins Deutsche. Sie liest und lernt gerne und ist besonders an Sprachen und Geschichte interessiert.

Autor

Liana Miate
Liana ist Social Media Editor bei Ancient History Encyclopedia. Sie hat einen Bachelor-Abschluss mit Schwerpunkt Antikes Rom und Griechenland und Späte Antike. Sie hegt eine besondere Leidenschaft für Rom und Griechenland, sowie für alles, was mit Mythologie oder Frauen zu tun hat.

Dieses Werk Zitieren

APA Stil

Miate, L. (2022, August 19). Mantikor [Manticore]. (M. Wrackmeyer, Übersetzer). World History Encyclopedia. Abgerufen auf https://www.worldhistory.org/trans/de/1-20988/mantikor/

Chicago Stil

Miate, Liana. "Mantikor." Übersetzt von Marina Wrackmeyer. World History Encyclopedia. Letzte August 19, 2022. https://www.worldhistory.org/trans/de/1-20988/mantikor/.

MLA Stil

Miate, Liana. "Mantikor." Übersetzt von Marina Wrackmeyer. World History Encyclopedia. World History Encyclopedia, 19 Aug 2022. Internet. 24 Dez 2024.