Die Stadt Konstantinopel (das heutige Istanbul) wurde 324 n. Chr. vom römischen Kaiser Konstantin dem Großen gegründet und war weit über 1.000 Jahre lang die Hauptstadt des Oströmischen Reiches oder des Byzantinischen Reiches, wie es später genannt wurde. Obwohl die Stadt viele Angriffe, lange Belagerungen, interne Rebellionen und sogar eine Besetzung im 13. Jahrhundert n. Chr. durch die Vierten Kreuzfahrer erlebte, waren ihre legendären Verteidigungsanlagen die stärksten in der antiken und mittelalterlichen Welt. Sie konnte jedoch den mächtigen Kanonen des osmanischen Sultans Mehmed II. nicht standhalten, und Konstantinopel, Schmuckstück und Bollwerk der Christenheit, wurde am Dienstag, dem 29. Mai 1453 n. Chr., erobert, zerstört und geplündert.
Eine uneinnehmbare Festung
Konstantinopel hatte sich im Laufe der Jahrhunderte vielen Belagerungen und Angriffen widersetzt, vor allem durch die Araber zwischen 674 und 678 n. Chr. und erneut zwischen 717 und 718 n. Chr. Die großen bulgarischen Khane Krum (reg. 802-814 n. Chr.) und Simeon I. (reg. 893-927 n. Chr.) versuchten beide, die byzantinische Hauptstadt anzugreifen, ebenso wie die Rus (Nachkommen von Wikingern aus der Gegend von Kiew) in den Jahren 860 n. Chr., 941 n. Chr. und 1043 n. Chr., aber alle scheiterten. Eine weitere große Belagerung wurde von dem Usurpator Thomas dem Slawen zwischen 821 und 823 n. Chr. unternommen. Alle diese Angriffe blieben erfolglos, dank der Lage der Stadt am Meer, ihrer Flotte und der Geheimwaffe des Griechischen Feuers (einer hochentzündlichen Flüssigkeit) und vor allem dank des Schutzes durch die massive Theodosianische Mauer.
Die berühmten Mauern der Stadt waren eine dreifache Reihe von Befestigungsanlagen, die während der Herrschaft von Theodosius II. (408-450 n. Chr.) zum Schutz der Landseite der von der Stadt besetzten Halbinsel errichtet wurden. Sie erstreckten sich über die gesamte Halbinsel vom Marmarameer bis zum Goldenen Horn und wurden schließlich 439 n. Chr. auf ihre vollständigen Länge von 6,5 Kilometern fertiggestellt. Die Angreifer sahen sich zunächst einem 20 Meter breiten und 7 Meter tiefen Graben gegenüber, der bei Bedarf mit Wasser aus Rohren geflutet werden konnte. Hinter diesem befand sich eine äußere Mauer mit einem Patrouillenweg, der den Graben überschaute. Dahinter befand sich eine zweite Mauer mit Türmen in regelmäßigen Abständen und einer Innenterrasse, von der aus auf feindliche Truppen, die den Graben und die erste Mauer angriffen, geschossen werden konnte. Hinter dieser Mauer wiederum befand sich eine dritte, viel massivere innere Mauer. Diese letzte Verteidigungsanlage war fast 5 Meter dick, 12 Meter hoch und setzte dem Feind 96 vorspringende Türme entgegen. Die Türme standen in einem Abstand von etwa 70 Metern zueinander und erreichten eine Höhe von 20 Metern. Die Türme, die entweder quadratisch oder achteckig waren, konnten bis zu drei Artilleriegeschütze tragen und wurden so auf der mittleren Mauer platziert, dass sie die Schießmöglichkeiten von den Türmen der inneren Mauer nicht behinderten. Der Abstand zwischen dem äußeren Graben und der inneren Mauer betrug 60 Meter, während der Höhenunterschied 30 Meter betrug.
Um Konstantinopel einzunehmen, musste ein Heer also sowohl zu Lande als auch zu Wasser angreifen, aber alle Versuche scheiterten, egal wer es versuchte und egal, welche Waffen und Belagerungsmaschinen sie einsetzten. Kurz gesagt, Konstantinopel war dank der besten Verteidigungsanlagen der mittelalterlichen Welt uneinnehmbar. Nun, nicht ganz. Nachdem die Stadt 800 Jahre lang allen Angreifern widerstanden hatte, gelang schließlich 1204 n. Chr. den Rittern des Vierten Kreuzzugs ein Durchbruch, wenn die Angreifer auch einfach durch eine unachtsam offen gelassene Tür eindrangen und nicht, weil die Befestigungsanlagen selbst ihren Zweck nicht erfüllt hatten. Nachdem sie von Michael VIII. (reg. 1261-1282 n. Chr.) 1260 n. Chr. repariert und wieder aufgebaut worden war, blieb die Stadt weiterhin die militärisch am schwierigsten zu knackende Nuss der Welt, aber dieser Ruf schreckte die immer ambitionierter werdenden Osmanen in keiner Weise ab.
Das Osmanische Reich
Das Osmanische Reich hatte als kleines türkisches Emirat begonnen, das von Osman I. im späten 13. Jahrhundert n. Chr. in Eskişehir (im westlichen Kleinasien) gegründet worden war, aber zu Beginn des 14. Jahrhunderts n. Chr. hatte es sich bereits nach Thrakien ausgedehnt. Von der Hauptstadt Adrianopel aus folgten weitere Eroberungen, wie unter anderem Thessaloniki und Serbien. Im Jahr 1396 n. Chr. besiegte ein osmanisches Heer bei Nikopolis an der Donau ein Kreuzfahrerheer. Konstantinopel war das nächste Ziel, da Byzanz am Rande des Zusammenbruchs stand und nur noch ein Vasallenstaat innerhalb des Osmanischen Reiches war. Die Stadt wurde 1394 n. Chr. und 1422 n. Chr. angegriffen, konnte sich aber dennoch behaupten. Ein weiteres Kreuzfahrerheer wurde 1444 n. Chr. bei Warna nahe der Schwarzmeerküste besiegt. Dann zog der neue Sultan Mehmed II. (reg. 1451-1481 n. Chr.) nach umfangreichen Vorbereitungen wie dem Bau, der Erweiterung und der Besetzung von Festungen, wie der rumelischen und der anatolischen Festung, entlang des Bosporus im Jahr 1452 n. Chr. los, um die Byzantiner und ihre Hauptstadt endgültig zu vernichten.
Die Verteidiger
Die Vernichtung des Kreuzfahrerheeres bei Warna im Jahr 1444 n. Chr. bedeutete, dass die Byzantiner nun auf sich allein gestellt waren. Aus dem Westen war keine nennenswerte Hilfe zu erwarten, denn die Päpste waren bereits wenig begeistert von der mangelnden Bereitschaft der Byzantiner, eine Kirchenunion zu bilden und ihre Vorherrschaft zu akzeptieren. Die Venezianer schickten zwar im April 1453 n. Chr. zwei dürftige Schiffe und 800 Mann, Genua versprach ein weiteres Schiff, und sogar der Papst versprach letztendlich fünf bewaffnete Schiffe, aber da hatten die Osmanen Konstantinopel bereits blockiert. Die Einwohner der Stadt konnten sich nur noch mit Lebensmitteln und Waffen eindecken und hoffen, dass ihre Verteidigungsanlagen sie noch einmal retten würden. Dem griechischen Historiker und Augenzeugen Georgios Sphrantzes aus dem 15. Jahrhundert n. Chr. zufolge bestand die Verteidigungsarmee aus weniger als 5.000 Mann, was nicht ausreichte, um die ingestamt 19 Kilometer Länge der Stadtmauern angemessen abzudecken. Noch schlimmer war, dass die einst große byzantinische Flotte nur noch aus 26 Schiffen bestand, von denen die meisten den italienischen Kolonisten der Stadt gehörten. Die Byzantiner waren an Soldaten, Schiffen und Waffen hoffnungslos in der Unterzahl.
Es schien, dass nur göttliches Eingreifen sie jetzt noch retten konnte, aber man glaubte, dass bei den vielen früheren Belagerungen in den vergangenen Jahrhunderten genau dieses Eingreifen die Stadt gerettet hatte – vielleicht würde sich die Geschichte wiederholen. Andererseits gab es auch unheilvolle Geschichten über den bevorstehenden Untergang: Prophezeiungen, die den Fall Konstantinopels verkündeten, wenn der Kaiser Konstantin hieß (und das taten natürlich viele) und es eine Mondfinsternis gab – was in den Tagen vor der Belagerung von 1453 n. Chr. der Fall war.
Der byzantinische Kaiser zum Zeitpunkt des Angriffs war Konstantin XI. (reg. 1449-1453 n. Chr.), und er übernahm persönlich die Verantwortung für die Verteidigung, zusammen mit so bedeutenden militärischen Persönlichkeiten wie Loukas Notaras, den Brüdern Kantakouzenos, Nikephoros Palaiologos und dem genuesischen Belagerungsexperten Giovanni Giustiniani. Die Byzantiner verfügten über Katapulte und das Griechische Feuer, eine hochentzündliche Flüssigkeit, die unter Druck von Schiffen oder Mauern aus versprüht werden konnte, um den Feind in Brand zu setzen, aber die Technologie der Kriegsführung hatte sich weiterentwickelt, und die Theodosianische Mauer stand vor ihrer bisher härtesten Prüfung.
Die Angreifer
Mehmed II. verfügte über eine Sache, die früheren Belagerern von Konstantinopel fehlte: Kanonen. Und es waren große Kanonen. Die Byzantiner hatten eigentlich das Vorkaufsrecht auf die Kanonen, die ihnen von ihrem Erfinder, dem ungarischen Ingenieur Urban, angeboten worden waren, doch Konstantin konnte dessen Preisvorstellungen nicht erfüllen. Urban ging daraufhin mit seinem Fachwissen beim Sultan hausieren, und Mehmed zeigte mehr Interesse und bot ihm das Vierfache des geforderten Preises. Diese furchterregenden Waffen kamen im November 1452 n. Chr. zum Einsatz, als ein venezianisches Schiff, das ein Fahrverbot missachtete, auf seiner Fahrt durch den Bosporus in die Luft gesprengt wurde. Der Kapitän des Schiffes überlebte, wurde jedoch gefangen genommen, enthauptet und anschließend auf einen Pfahl aufgespießt. Dies war ein unheilvolles Zeichen für die Zukunft.
Georgios Sphrantzes zufolge umfasste das osmanische Heer 200.000 Mann, doch moderne Historiker bevorzugen eine realistischere Zahl von 60-80.000. Als sich die Armee am 2. April 1453 n. Chr. vor den Stadtmauern von Konstantinopel sammelte, bekamen die Byzantiner einen ersten Blick auf die Kanonen von Mehmed. Die größte war 9 Meter lang und hatte eine klaffende Mündung von einem Meter Durchmesser. Sie war bereits getestet und konnte eine 500 Kilogramm schwere Kugel über 1,5 Kilometer weit schießen. Die Kanone war so gewaltig, dass das Laden und Kühlen sehr lange dauerte, so dass sie nur siebenmal am Tag abgefeuert werden konnte. Die Osmanen verfügten jedoch über zahlreiche kleinere Kanonen, die jeweils über 100 Mal am Tag abgefeuert werden konnten.
Am 5. April forderte Mehmed den byzantinischen Kaiser zur sofortigen Kapitulation auf, erhielt jedoch keine Antwort. Am 6. April begann der Angriff. Die Theodosianische Mauer wurde unerbittlich Stück für Stück in Schutt und Asche gelegt. Den Verteidigern blieb nichts anderes übrig, als tagsüber mit ihren eigenen kleineren Kanonen zurückzuschießen, die Angreifer dort aufzuhalten, wo die Kanonen die größten Löcher gerissen hatten, und jede Nacht zu versuchen, diese Lücken so gut wie möglich mit Steinen, Fässern und allem, was ihnen in die Hände fiel, zu schließen. Die so entstandenen Schutthaufen hielten den Kanonenschuss besser ab als feste Mauern, aber irgendwann würde einer der Infanterieangriffe sicher durchkommen.
Ein Kampf ums Überleben
Der Angriff dauerte sechs Wochen lang an, doch es gab wirksamen Widerstand. Der osmanische Angriff auf den Ausleger, der den Hafen der Stadt blockierte, wurde ebenso abgewehrt wie mehrere direkte Angriffe auf die Landmauern. Wie durch ein Wunder gelang es am 20. April drei vom Papst entsandten genuesischen Schiffen und einem von Alfons V. von Aragón gesandten mit lebenswichtigem Getreide beladenen Schiff, die osmanische Seeblockade zu durchbrechen und die Verteidiger zu erreichen. Der erzürnte Mehmed umging daraufhin die Hafensperre, indem er eine Straße baute, über die 70 seiner Schiffe, die auf von Ochsen gezogene Karren geladen waren, in die Gewässer des Goldenen Horns gelassen werden konnten. Die Osmanen bauten daraufhin einen Ponton und befestigten Kanonen daran, so dass sie nun jeden Teil der Stadt von der Seeseite aus angreifen konnten, nicht nur vom Land aus. Die Verteidiger hatten nun Mühe, Verteidiger dort zu stationieren, wo sie gebraucht wurden, vor allem entlang der strukturell schwächeren Seemauern.
Die Zeit für die Stadt wurde knapp, doch dann kam unerwartete Hilfe von anderer Seite. In Kleinasien sah sich Mehmed mit mehreren Aufständen konfrontiert, da seine Untertanen in Abwesenheit ihres Sultans und seiner Armee unruhig wurden. Aus diesem Grund bot Mehmed Konstantin ein Geschäft an: Er solle Tribut zahlen, und Mehmed würde seine Truppen zurückziehen. Der Kaiser lehnte ab, und Mehmed teilte seinen Soldaten mit, dass sie nun nach dem Fall der Stadt, der mit Sicherheit eintreten würde, eine der reichsten Städte der Welt nach Belieben ausplündern könnten.
Mehmed startete im Morgengrauen des 29. Mai einen massiven Angriff, bei dem er mit allem aufwartete. Nach dem üblichen Kanonenfeuer wurden zuerst die zweitrangigen Truppen in die Stadt geschickt, dann folgte eine zweite Welle mit besser bewaffneten Truppen, und schließlich griff eine dritte Welle die Mauern an, die diesmal aus den Janitscharen bestand – der gut ausgebildeten und äußerst entschlossenen Elite von Mehmeds Armee. Während dieser dritten Welle kam es zu einer Katastrophe für die Byzantiner, die mittlerweile gezwungen waren, Frauen und Kinder zur Verteidigung der Mauern einzusetzen. Ein Dummkopf hatte die kleine Pforte Kerkoporta in den Landmauern nicht verschlossen, und die Janitscharen zögerten nicht, dies auszunutzen. Sie erklommen die Mauer und hissten die osmanische Flagge, dann arbeiteten sie sich zum Haupttor vor und ließen ihre Kameraden in die Stadt strömen.
Zerstörung
Nun brach das Chaos aus. Einige der Verteidiger stellten sich unbeirrt diszipliniert dem Feind entgegen, während andere in ihre Häuser zurückeilten, um ihre Familien zu verteidigen. Zu diesem Zeitpunkt wurde Konstantin bei den Kämpfen getötet, wahrscheinlich in der Nähe des St. Romanus-Tores. Da er jedoch alle Hinweise auf seinen Status abgelegt hatte, um zu verhindern, dass sein Körper als Trophäe verwendet würde, ist sein Ableben nicht sicher bekannt. Der Kaiser hätte schon Tage vorher aus der Stadt fliehen können, doch er zog es vor, bei seinem Volk zu bleiben, und so entstand bald die Legende, er sei gar nicht gestorben, sondern auf magische Weise von Marmor umschlossen und unter der Stadt begraben worden, die er eines Tages wieder regieren würde.
In der Zwischenzeit begannen Vergewaltigungen, Plünderungen und Zerstörungen. Viele Einwohner der Stadt begingen lieber Selbstmord, als sich den Schrecken der Gefangennahme und Sklaverei auszusetzen. Etwa 4.000 wurden auf der Stelle getötet, und über 50.000 wurden als Sklaven verschifft. Viele suchten Zuflucht in Kirchen und verbarrikadierten sich dort, so auch in der Hagia Sophia, jedoch waren diese zugleich ein offensichtliches Ziel für ihre Schätze, und nachdem sie ihrer Edelsteine und Edelmetalle beraubt worden waren, wurden die Gebäude und ihre unbezahlbaren Ikonen zerstört und die kauernden Gefangenen getötet. Unzählige Kunstschätze gingen verloren, Bücher wurden verbrannt, und alles, was eine christliche Botschaft enthielt, wurde zerstört, auch Fresken und Mosaike.
Am Nachmittag betrat Mehmed selbst die Stadt, beendete die Plünderungen und erklärte, dass die Kirche Hagia Sophia sofort in eine Moschee umgewandelt werden sollte. Damit machte er deutlich, dass die Rolle, die die Stadt zwölf Jahrhunderte lang als Bastion des Christentums gespielt hatte, nun beendet war. Anschließend ließ Mehmed die bedeutendsten Überlebenden aus dem Adel der Stadt zusammenrufen und hinrichten.
Nachwirkungen
Konstantinopel wurde zur neuen osmanischen Hauptstadt, und das gewaltige Goldene Tor der Theodosianischen Mauer wurde Teil des Burgschatzes von Mehmed, während die christliche Gemeinde unter der Leitung des Bischofs Gennadios II. fortbestehen durfte. Was vom alten byzantinischen Reich noch übrig war, ging nach der Eroberung von Mystras 1460 n. Chr. und von Trapezunt 1461 n. Chr. in das osmanische Territorium über. In der Zwischenzeit hatte Mehmed, der erst 21 Jahre alt und nun als „der Eroberer“ bekannt war, eine lange Regierungszeit und weitere 28 Jahre als Sultan vor sich. Die byzantinische Kultur überlebte, vor allem in der Kunst und der Architektur, aber der Fall Konstantinopels war dennoch ein bedeutendes Ereignis der Weltgeschichte, das Ende des alten Römischen Reiches und der letzten überlebenden Verbindung zwischen der mittelalterlichen und der antiken Welt. So stellt der Historiker J. J. Norwich fest:
Das ist der Grund, warum fünfeinhalb Jahrhunderte später in der gesamten griechischen Welt der Dienstag immer noch als der unglücklichste Tag der Woche gilt; warum die türkische Flagge immer noch keinen zunehmenden sondern einen abnehmenden Mond abbildet, der uns daran erinnert, dass der Mond sein letztes Viertel erreicht hatte, als Konstantinopel schließlich fiel. (383)