Römische Glaswaren gehören zu den schönsten Kunstwerken, die in der Antike hergestellt wurden, und die besten von ihnen wurden höher geschätzt als Waren aus Edelmetall. Einfache Glasgefäße wie Becher, Schalen, Teller und Flaschen wurden jedoch auch als alltägliche Behältnisse verwendet, vor allem zur Aufbewahrung und zum Servieren von Speisen und Getränken. Glas wurde von den Römern auch wegen seiner dekorativen Eigenschaften geschätzt und konnte in Mosaiken und dekorativen Paneelen für Wände und Möbel verarbeitet werden. Das Material wurde auch für Fenster, zur Herstellung von Schmuck, Spiegeln, Spielfiguren, Lupen, Skulpturen und, in Form von Pulver, sogar als Medizin und Zahnpasta verwendet.
Materialien
Das künstlich hergestellte Material Glas – eine Mischung aus Soda, Siliciumdioxid und Kalk – wurde schon mehr als 1500 Jahre vor der Zeit der Römer verwendet, aber selbst sie scheinen die Komplexität der Komponentenmischung und die Notwendigkeit von Kalk, um das Glas wasserundurchlässig und haltbarer gegen den Zahn der Zeit und Gebrauchsspuren zu machen, noch nicht ganz verstanden zu haben. Kalk kommt in der Natur zum Beispiel als Teil der Siliciumdioxidkomponente in Form von Sand vor, der einen erheblichen Anteil an zerkleinerten Muscheln enthält. In der Tat wurden zwei Gebiete für die hohe Qualität ihres Glases bekannt: entlang des Flusses Belus in Phönizien und des Flusses Volturnus in Kampanien – nicht zufällig Gebiete mit besonders kalkreichem Sand. Einige römische Glasmacher erkannten jedoch, vielleicht ohne genau zu verstehen warum, dass die Zugabe von kleinen Kieselsteinen und Muscheln die Endqualität des hergestellten Glases beeinflussen konnte.
Techniken
Die Verwendung von Glas vor der Römerzeit beschränkte sich hauptsächlich auf undurchsichtige Fläschchen oder große Schalen, die oft in Nachahmung von Metallwaren hergestellt wurden. Das frühe Glas war in der Regel undurchsichtig, da sich beim Brennen viele winzige Luftbläschen im Glas bildeten, und hatte aufgrund von Verunreinigungen meist einen blassgrünen oder gelblichen Farbton. Der Farbton des Glases konnte jedoch durch Erhöhung oder Verringerung des Sauerstoffgehaltes im Ofen beeinflusst werden. Die Farben konnten auch durch die Zugabe kleiner Mengen von Metallen in die Mischung erzielt werden – durch die Zugabe von Kupfer entstanden blaue, grüne und rote Farben, durch die Zugabe von Mangan rosa und rote Farbtöne, durch die Zugabe von Kobalt tiefblaue Farbe, durch die Zugabe von Calcium weiße Farbe und durch die Zugabe von Blei gelbe Farbtöne.
Mit der Erfindung der Glasbläserei (Blasen des noch heißen Glases durch einen hohlen Eisenstab von 1 bis 1,5 m Länge) im 1. Jahrhundert v. Chr. wurde eine bessere Qualität des Glases erreicht, und der Herstellungsprozess wurde schneller und günstiger, so dass Gefäße aus Glas viel häufiger als Alltagsgegenstände verwendet wurden. Dieser Trend wurde durch die Erfindung von Öfen für die Glasbläserei im 1. Jahrhundert n. Chr. noch verstärkt. Wie Strabon in seiner Geographie feststellte, konnte man im 1. Jahrhundert n. Chr. ein Glasgefäß für nur eine Kupfermünze kaufen. Der genaue Ort und Zeitpunkt der Erfindung dieser neuen Produktionsmethode ist nicht bekannt, aber die frühesten Beispiele für geblasenes Glas stammen aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. aus den Gebieten Syriens und Palästinas. In dieser Zeit findet sich ebenso die erste Erwähnung des lateinischen Wortes für Glas – vitrum.
Die Technik des Glasblasens ermöglichte nicht nur die Herstellung von Gefäßen mit dünneren Wänden, wodurch das Glas lichtdurchlässiger wurde, sondern auch die Schaffung einer völlig neuen Formenvielfalt. Die ältere Methode, Glas mit Hilfe von Formen zu gießen und dekorative Effekte zu erzielen, indem vorgefertigte Teile aus weißem, braunem, blauem, rotem und grünem Glas zusammengefügt wurden, wurde bis ins 1. Jahrhundert n. Chr. beibehalten, war aber hauptsächlich auf die Herstellung größerer Gefäße wie Schalen, Teller und Krüge beschränkt. Mit der revolutionären neuen Methode des Glasblasens waren den Gestaltungsmöglichkeiten nur noch durch die Fantasie des Handwerkers Grenzen gesetzt. Wie Seneca in seinen Epistulae Morales beeindruckt beschrieb, konnte der Glasbläser „allein durch seinen Atem Glas in zahlreiche Formen bringen, die von der geschicktesten Hand kaum erreicht werden könnten“.
Ausführung
Die römischen Glasmacher (vitriarii) und Glasschneider (diatretarii) konnten eine breite Palette von Techniken anwenden, um einfache Glasgefäße in hochdekorative Kunstwerke zu verwandeln. Wie wir gesehen haben, wurden farbenfrohe Glaswaren zunächst durch das Zusammensetzen verschiedener Stücke aus vorgefertigtem Glas hergestellt. Im späten 1. Jahrhundert n. Chr. tauchte jedoch erstmals farbloses Glas im Repertoire der Glasmacher auf und wurde in römischen Haushalten sehr begehrt. Eine der beliebtesten Gefäßformen aus klarem Glas war ein großer Trinkbecher mit horizontal geschliffenen Henkeln und manchmal mit dekorativen Einschnitten, die Weinranken und Lorbeerkränze darstellten. Eine weitere dekorative Technik war die Verzierung von Tellerrändern mit dem in der architektonischen Bildhauerei beliebten „Eierstab“-Motiv.
Die Herstellungsmethode, Glas in vorgeschnittene Formen zu blasen, ermöglichte Massenproduktion und eine weitere Reihe von Mustern, die oft mit mehrfarbigen, in der Form zusammengeschmolzenen Stäben und mit Motiven im Hochrelief dargestellt wurden, wobei dekorative Bossen im 1. Jahrhundert n. Chr. besonders beliebt waren. Dekorationen konnten auch durch das Aufbringen kleiner Stücke heißen Glases auf das Gefäß hinzugefügt werden, und die Form des Gefäßes selbst konnte verändert werden, während es noch heiß war, z. B. durch Zusammendrücken des Glases an der Basis von Flaschenhälsen. Henkel wurden den Gefäßen in der Regel separat hinzugefügt, und das Fehlen einer Schere unter den Werkzeugen der Glasmacher zeigt sich im Umklappen der Henkelenden, so dass das Glas verjüngt und abgezwickt werden konnte.
Das Glas konnte auch mit vorgedruckten Motiven versehen werden, doch davon gibt es nur wenige erhaltene Exemplare. Eine weitere Technik zur Herstellung von Dekorationen war der Abrieb, wodurch Kontrast von glatten und matten Bereichen auf dem Gefäß erzeugt wurde. Auch Blattgold wurde verwendet. Zwischen zwei Glasschichten eingelegt konnte Gold Muster und sogar Porträts und Figurenszenen erschaffen und wurde vor allem für die Böden von Bechern und Schalen verwendet. Diese Technik wurde auch häufig bei Grabmedaillons aus Glas eingesetzt.
Meisterwerke
Als die Glasmacher ihre Kunst mit der Zeit perfektionierten, wurden die Glaswaren immer komplizierter und anspruchsvoller im Design, und Glas konnte nun in schillernde Kunstwerke verwandelt werden. Mithilfe von Schlifftechniken wurden Effekte erzielt, wie sie bei Kameen zu sehen sind. Das vielleicht berühmteste Beispiel für diese Technik ist die „Portlandvase“, die während der Regierungszeit von Augustus (27 v. Chr. – 14 n. Chr.) hergestellt wurde und die Hochzeit von Peleus und Thetis aus der griechischen Mythologie darstellt.
Spätere Gefäße wurden noch dramatischer geschliffen, und im 4. Jahrhundert n. Chr. erreichte die Kunstform ihren Höhepunkt mit den Diatretgläsern und dem vielleicht berühmtesten römischen Glasgefäß überhaupt, dem Lykurgosbecher. Bei dieser Art von Gefäßen wurden dicke Glasschichten entfernt, so dass ein durchbrochenes Muster oder eine Figur nur durch eine kleine, verborgene Glasbrücke mit dem Hauptkörper des Gefäßes verbunden war und somit eine gitterartige Dekoration entstand, die das gesamte Gefäß umgab. Der Lykurgosbecher, der sich heute im British Museum in London befindet, wurde im 4. Jahrhundert n. Chr. aus grünem und rotem Glas hergestellt und stellt den Mythos von Lykurgos und seiner tödlichen Verstrickung in eine Ranke dar. Die dekorativen Figuren in Grün sind zusätzlich von hinten herausgeschliffen, um sie so dünn wie möglich und damit noch durchscheinender zu machen.
Obwohl die römische Glasindustrie nie das Ausmaß anderer Massenproduktionszweige wie Töpferei oder Münzprägung erreichte, wurden Glaswaren im gesamten Römischen Reich relativ häufig und bemerkenswert einheitlich hergestellt, und erst mit dem Aufkommen des venezianischen Glases im 15. Jahrhundert n. Chr. kam die schiere Menge der produzierten Glaswaren der damaligen Zeit gleich.